Die Eisenbahn und das Militär
Wenn man an den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) denkt, dann kommen einem unwillkürlich die Bilder vom Großpapa in Uniform, von den zahlreichen Opfern, oder aber von Adolf Hitler in Erinnerung.
An die Eisenbahn denken dabei wohl die wenigsten, wenngleich „Das Eiserne Pferd“, Bezeichnung der Bahn durch die Indianer in Nordamerika im 19. Jahrhundert, und die damit einhergehend voranschreitende Industrialisierung, doch gerade erst die Gräuel in den Kriegswirren ermöglicht hat. Viele erfuhren im Geschichtsunterricht über das NS-Regime und man sieht dabei immer noch klar vor Augen das fürchterliche schwarz-weiß Bild eines Konzentrations-Lagers mit seinen Stacheldraht-Zäunen und Wachtürmen und den schier endlos langen von Schnee leicht bedeckten Eisenbahn-Strängen, die direkt hinein ins Verderben führten.
Man sah aber auch die Bilder von jungen Mädchen, die ihre Verlobten, die gerade noch in fescher Uniform am Bahnsteig gestanden waren, mit Tränen in den Augen beim nunmehr pfeifend abdampfenden und sich langsam in Bewegung setzenden Zug verabschiedeten. Die Jünglinge waren nach einem Heimaturlaub am Weg zurück an die jeweilige Front und nur Gott allein wusste, ob die jungen Soldaten dereinst ihre Bräute und auch die Heimat wieder heil und unversehrt sehen würden. Man sah aber auch die unzähligen hölzernen Viehwaggons, in die Regime-Gegner, politische Gefangene und allen voran Roma, Sinti und Juden gepfercht wurden, um sie ihrer Vernichtung zuzuführen. Dies alles war nur möglich durch die erschlossenen Transportwege der Eisenbahn.
Die NS-Eliten formten den „Volkskörper“, Reich und Partei wurde gleichgesetzt, demzufolge waren von der politischen Gleichschaltung nicht nur Erwachsene, sondern auch Jugendliche und Kinder betroffen. Wollte man bei der Bahn lernen, musste man „arischer“ Abstammung sein und der Hitler-Jugend angehören.
In den darauffolgenden Jahren fügte sich die Bahn ganz und gar in die Kriegs- und Vernichtungsmaschinerie ein. „Die Räder müssen rollen für den Sieg!“ – so der eindringliche Slogan der NS-Propaganda des Berliner Reichsverkehrsministeriums im Jahre 1942. Freilich war damit nicht nur die Bahn, sondern auch LKW, PKW und Panzer gemeint. Und dennoch stand die Bahn für die Todes-Transporte. Juden, Roma und Sinti wurden in Konzentrationslager verfrachtet und dort bestialisch ermordet.
Gespenstisch dabei war, dass die Opfer in der Regel ihren eigenen Deportations-Transport in den späteren Tod auch noch bezahlen mussten. Lediglich die Bahnfahrt für Kinder unter 4 Jahren war frei. Aufhalten oder gar verhindern ließen sich diese Transporte nicht. Jede Annäherung war lebensgefährlich, die Ordnungspolizei war überall. Dennoch war der Widerstand vielfältig. Zu beliebten Sabotage-Handlungen zählten beispielsweise das Durchschneiden von Bremskupplungsschläuchen und das Umleiten ganzer Waggon-Garnituren in falsche Bahnhöfe. Die „Übeltäter“ mussten dieses Aufbegehren meist mit dem Leben bezahlen. 154 Eisenbahner wurden hingerichtet. 1.400 landeten selbst im KZ oder Zuchthaus, was wiederum 135 von ihnen das Leben kostete.
Die Eisenbahn war und blieb ein williger Vollstrecker der NS-Vernichtungsmaschinerie. Die Bahn war ein „kriegswichtiger Betrieb“. Das wiederum bedeutete für die Eisenbahner, dass sie nicht an die Front mussten. Und dennoch mussten Tausende von ihnen, gerade im Osten, zerstörte Brücken wiederaufbauen oder Gleise für den weiteren deutschen Vormarsch – die später dem Rückzug dienten – adaptieren.
In der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges erschwerten alliierte Bombardements die Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs. Über die Hälfte des Schienennetzes war beschädigt und drei Viertel der Fahrzeuge komplett zerstört worden. In den letzten Kriegstagen organisierten verbliebene Eisenbahner in Eigenregie den Bahnverkehr, da große Teile der Führungs-Ebene untergetaucht, oder entlassen waren.
(Quelle: oepb.at „Todeszüge / Die Rolle der Bahn im 2. Weltkrieg“)
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